Analyse 10

Gutachterliche Stellungnahme zu Gunsten der Patientin F.G.

Betreffend:  Dr. R. B., Schweiz

«Gutachterliche Stellungnahme zu Gunsten der Patientin F.G.*»
* Name der Redaktion bekannt

Ergebnis der Analyse

Nr. Prüfkriterien Ja / Nein / nicht anwendbar (n. a.)
1 Gutachten im echten Kern-Fachgebiet Ja
2 Strittige Sachverhalte richtig gewertet
  • Es handelt sich um eine Wiedergabe der Patientenaussagen, angereichert mit zahlreichen unrichtigen Tatsachenbehauptungen.
  • Es wird keine Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten der unterschiedlichen Behandler getroffen.
Nein
3 Reine Rechtsfragen unbeachtet gelassen? n. a.
4 Fremde Methoden aus Methodensicht gewürdigt? Nein
5 Sich widersprechende Tatsachen sachgerecht gewürdigt
  • Der Gutachter nimmt ernsthaft an, dass ein Patient freiwillig Knochenaufbaumaßnahmen vornehmen lassen würde, wenn diese unnötig sind.
  • Falsche Wiedergabe des Stands der Literatur. Der Gutachter behauptet, dass es nur zwei Publikationen zu basalen Implantaten gäbe.
    Vorteile der Vermeidung von Knochenaufbauten bleiben unerwähnt; Abwägung hinsichtlich der Invasivität unterbleibt.
Nein
6 Berücksichtigung der Original-(Patienten-)dokumentation Nein
7 Abwägung von einseitigen Behauptungen Nein
8 Bezahlte Tätigkeit für/ Abhängigkeit von einer der Prozessparteien n. a.
9 Werden Angaben zu Rücksichtnahmen und Abhängigkeiten gemacht? n. a.
10 Literaturangaben ausreichend angegeben? Nein
11 Kriterien der rechtlichen Beurteilung korrekt (sofern diese zulässig ist) Nein
12 Bezahlung des Gutachtens aus unabhängiger Quelle? Nein
13 Liegt Systemkenntnis vor? Nein
14 Selbst durchgeführte Operationen oder Behandlungen? Nein (keine)
15 Bereits qualifizierte Gutachten zur Methode ausgeführt? Nein
16 Gutachten stimmt mit der eigenen Lehraussage überein? n. a. - der Gutachter lehrt nicht
17 Gutachten stimmt mit anderen Lehraussagen  überein? Nein
18 Frei von Drittmittelbezügen aus dem Bereich der direkten Mitbewerber? n. a.
19 Steht nicht in Beziehung zum Nachbehandler oder war selber Nachbehandler Nein

Skala der ethischen Vertretbarkeit*

                                     

* weisse Felder = nicht anwendbar / grüne Felder = unbedenklich / rote Felder = bedenklich

Im vorliegenden Fall ging es um eine beiseitige implantologische Versorgung im Oberkiefer. Alle eingegliederten Implantate waren problemlos integriert und in Sofortbelastung zunächst dauerprovisorisch versorgt worden. Mit der Patientin war vereinbart worden, dass nach Abheilen der Schleimhautsituation und nach erfolgter Integration der Implantate ggf. eine definitive Versorgung erstellt werden würde. Da die funktionelle Situation vor Behandlungsbeginn extrem kritisch war (einseitiges Kaumuster, Elongationen), war die Patientin darüber aufgeklärt worden, dass voraussichtlich über das normale Maß hinausgehende Einschleifmaßnahmen von zahngetragenen Versorgungen nötig seien. Dies auch deswegen, weil bei sofortbelasteten Konstruktionen auch die morphologischen Änderungen des Knochens im Prothetikbereich nachgeführt werden müssen. Zudem war die Patientin darauf hingewiesen worden, dass vertikale Positionsänderungen des letzten verbliebenen oberen Molaren zu Schwierigkeiten der Bisslage-Einstellung führen können und dass fortwährende Elongationen dieses Zahnes wahrscheinlich seien. Diese letztgenannten Umstände spielten insbesondere bei der Gesamtbewertung der Einschleifmaßnahmen eine Rolle.

Unzutreffend sind zumindest die folgenden Bewertungen

  • Der Gutachter bemängelt die fehlende Aufklärung über Knochenaufbau-Alternativen. Hierzu ist anzumerken, dass kein vernünftig denkender Mensch freiwillig Knochenaufbau-Operationen nur zum Zwecke der Befestigung von Implantaten über sich ergehen lassen würde, wenn man ihm eine alternative Vorgehensweise vorschlagen würde. Ausgenommen sind Knochenaufbauten zur Verbesserung des ästhetischen Ergebnisses.
  • Der Gutachter schlägt vor, die Zahnreihe einseitig zu verkürzen, - dies sei der richtige Therapieweg gewesen. Der Gutachter behauptet, dass diese einseitige Verkürzung der Zahnreihe den Vorteil des vergrößerten Zungenraumes bieten würde. Dieser Vorschlag ist insgesamt schlichtweg kunstfehlerhaft, denn einseitig verkürzte Zahnreihen führen früher oder später immer zu schweren funktionellen Störungen. Der Vorschlag ist einzig dazu geeignet, die Patientin zu verunsichern und von der geplanten Weiterbehandlung abzuhalten.
  • Ebenfalls unzutreffend ist die Behauptung des Gutachters, dass die Implantatwahl in irgendeiner Form mit der Fachliteratur zu tun habe müsse: Richtig ist, dass alle verwendeten Implantate CE-gekennzeichnet waren und dass auch alle Implantate perfekt eingeheilt waren. Hieran gibt es nichts zu kritisieren. Dem Gutachter wird nahe gelegt, die Analysen der Zeitschrift "CMF Implant Directions" zu studieren,- dort wird klar gestellt, dass "Fachliteratur", insbesondere aus der Schweiz, - häufig nicht den Anforderungen an wahrheitsgemäße und sachgerechte Literatur entspricht.
  • Die Patientin hatte sich im Bereich des Gegenkiefers fast zeitgleich prothetisch versorgen lassen, was vom Gutachter außer Acht gelassen wurde: Das Zusammenpassen von Kronen im Ober- und Unterkiefer kann nur durch Maßnahmen in beiden Kiefern erreicht werden. Insofern hat der Behandler des Unterkiefers in wesentlicher Weise in das Behandlungsgeschehen eingegriffen. Der Patientin wurde davon abgeraten, diese Teil- Versorgung andernorts und vor allem nicht vor der definitiven Versorgung des Oberkiefers vornehmen zu lassen. Diesen Ratschlag befolgte die Patientin nicht.
  • Der Patientin war nach deren eigenen Aussagen gesagt worden, dass auch Implantate zu entfernen seien. Dies trifft nicht zu und wurde auch so später nicht durchgeführt. Es dürfte aber dazu beigetragen haben, die Patientin zu verunsichern.
  • Die von der Patientin geschilderten "Probleme" sind ohne weiteres durch die schon vorab geplante Anfertigung einer definitiven Brücke zu lösen. Es ist unverständlich, warum die Patientin dies beim Erstbehandler verweigerte und dann andernorts genau so durchführen liess. Die Geldforderungen der Patientin übersteigen bei weitem die Kosten der Anfertigung von Ersatzbrücken, womit von einem zumindest billigend in Kauf genommenem Versicherungsbetrug auszugehen ist.
  • Da der Nachbehandler und der Gutachter befreundet sind, besteht der Verdacht, dass zur Begehung dieses Betrugs vorsätzlich zusammen gearbeitet wurde, was sich freilich niemals erhärten lassen wird (…)
  • Der Gutachter behauptet, dass Hygienefähigkeit nicht gegeben sei. Das ist unzutreffend: Die Patientin stellte sich zu keiner Zeit mit hygienischen Problemen vor und wies auch keine Speiseretentionen auf. Bekanntlich ist es so, dass der Pflegeaufwand bei Schrauben-Implantat-Versorgungen erheblich größer ist, als bei Versorgungen mit basalen Implantaten. Dies deswegen, weil die Schleimhautdurchtrittsstellen bei Schraubenimplantaten (damaliger Bauart) größer ausfallen und weil die vertikalen Implantatbereiche aufgerauht und infektionsanfällig sind. Dies ist häufig Ursache der Entzündung um das Implantat herum, der sog. Periimplantitis. Die Periimplantitis ist eine häufig auftretende Erkrankung nach Insertion von Schraubenimplantaten mit großem Kerndruchmesser und bakterienfreundlicher, rauher Oberfläche. Sie tritt bei basalen Implantaten so gut wie nie auf.