Analyse 2

Gutachten vom: 20.11.07; i.S. Frau K.* ./. Deutsche Krankenversicherungs AG (DKV)

Betreffend Gutachter: Dr. Dr. W. T.*, Deutschland
* Name der Redaktion bekannt

Gutachten vom: 20.11.07; i.S. Frau K.* ./. Deutsche Krankenversicherungs AG (DKV)

Ergebnis der Analyse

Nr. Prüfkriterien Ja / Nein / nicht anwendbar (n. a.)
1 Gutachten im echten Kern-Fachgebiet des Gutachters? Nein
2 Streitige Sachverhalte richtig gewertet
  • Der Gutachter behauptet, dass die Patienten Probleme hätte, die sie gar nicht hat. Dazu liegt dem Analyseteam der IF eine schriftliche Patientenaussage vor.
  • Der Gutachter behauptet, dass es an dünnen, polierten Schleimhaut-Durchtrittstellen Infektionen geben könnte. Das ist unzutreffend.
Nein
3 Reine Rechtsfragen unbeachtet gelassen? n. a.
4 Fremde Methoden aus Methodensicht gewürdigt? Nein
5 Tatsachen richtig dargestellt?
  • falsche Widergabe des Stands der Literatur. Der Gutachter zieht Literatur aus dem Beriech der crestalen Implantologie heran, ohne selber zu erkennen, dass die darin erwähnten Standards zum einen umstritten und nicht wissenschaftlich abgesichert sind, zum anderen aber auch nicht anwendbar auf basale Implantate. 
n. a.
6 Berücksichtigung der Originaldokumentation? Ja
7 Bewertung von einseitigen Behauptungen? n. a.
8 Abhängigkeit von einer der Prozessparteien/ keine Gutachten für private Versicheurngen früher erstellt (Befangenheit) Nein
9 Werden Angaben zur Rücksichtnahmen und Abhängigkeiten gemacht? Nein
10 Literaturangaben ausreichend angegeben? Nein
11 Kriterien der rechtlichen Beurteilung korrekt (sofern diese zulässig ist;) ? n.a .
12 Bezahlung des Gutachtens aus unabhängiger Quelle? Ja
13 Liegt Systemkenntnis vor? Nein
14 Selbst durchgeführte Operationen oder Behandlungen? Nein (keine)
15 Bereits qualifizierte Gutachten zur Methode ausgeführt? Ja
16 Gutachten stimmt mit der eigenen Lehraussage überein? (Gutachter lehrt nicht) n. a.
17 Gutachten stimmt mit anderen Lehraussagen  überein? Nein
18 Frei von Drittmittelbezügen aus dem Bereich der direkten Mitbewerber? n. a.
19 Steht in Beziehung zum Nachbehandler oder war selber Nachbehandler? n. a.

Skala der ethischen Vertretbarkeit*

                                     

* weisse Felder = nicht anwendbar / grüne Felder = unbedenklich / rote Felder = bedenklich

Im vorliegenden Fall  ging es um eine implantologische Versorgung im Oberkiefer. Die Patientin war bereits im Jahre 2004 mit basalen Implantaten im Unterkiefer versorgt worden. Da sie damit zufrieden war, liess sie in 2006 auch den Oberkiefer sanieren. Es geht in diesem Rechtsstreit um die Bezahlung der Versorgung.

Grundsätzliche Erwägungen

Bei fehlendem Alveolarknochen besteht die theoretische Möglichkeit, durch Knochenaufbaumassnahmen das Knochenvolumen wieder her zu stellen. Diese Eingriffe sind sehr invasiv und risikobehaftet; für die meisten der heute verwendeten Techniken und Materialien fehlt es an aussagekräftigem wissenschaftlichen Datenmaterial und vor allem fehlt es an Langzeit-Erfahrungen. Für die Implantatverankerung selber sind diese Eingriff in der überwiegenden Anzahl der Fälle heute gar nicht mehr nötig, wenn man von vorne herein zum Kiefer passende Implantate wählt.

In vielen Fällen reicht der Knochen für die Verankerung von Implantaten aller Art (oft selbst für herkömmliche Schraubenimplantate), jedoch bestehen zusätzliche Schwierigkeiten bei der prothetischen Versorgung der Implantate: zur Unterstützung der Weichteile müssen in diesem Fällen nicht nur die Zähne ersetzt werden, sondern auch Zahnfleisch- bzw. Kieferknochenbereiche. Hierfür gibt es noch  keine generelle Richtlinie hinsichtlich der Ausführung solcher Arbeiten. Patienten, die eine festsitzende Versorgung wünschen (Brücken), müssen in Kauf nehmen, dass der Reinigungsaufwand unter den Brücken etwas grösser ist. Wählen diese Patienten hingegen eine implantatgestützte Prothese, so können sie die Prothese herausnehmen und haben leichteren Zugang zu den Implantaten für die Reinigung.

Erwägungen im Einzelfall

Im vorliegenden Fall hatte die Patientin sich nach eingehender Beratung für die festsitzende Brücke entschieden. Sie schreibt am  16.4.2008: "Herausnehmbare Arbeiten wünschte und wünsche ich nicht. Damit hatte ich im Laufe von 40 Jahren - durch Prothesen unterschiedlicher Technik von verschiedenen Zahnärzten je länger desto mehr negative Erfahrungen gemacht". Diesen Patientenwunsch hätte der Gutachter auch leicht in Erfahrung bringen können,  denn er hat die Patientin persönlich untersucht.

Der Gutachter schreibt, dass durch die erschwerte Zugänglichkeit bei der Reinigung mit einer schlechteren Langzeitprognose der Implantate gerechnet werden könne. Dies ist aus vielerlei Gründen falsch:

  1. Basale Implantate verfügen über einen Durchmesser der Schleimhautdurchtrittstelle von 1.9 x 1.9 - 2.3 mm.  Sie sind also wesentlich graziler als herkömmliche Schraubenimplantate. Zudem sind die Schleimhautdurchtrittstellen hochglanzpoliert.
  2. Die bei Schraubenimplantate gefürchtete und häufig als Folgeerscheinung auftretende "Periimplantitis" wurde bei modernen basalen Implantaten noch nie in wissenschaftlichen Publikationen beschreiben. Diese Erkrankung exisitert also bei basalen Implantaten nicht, sie kommt also, - sachgerechte aerztliches Vorgehen vorausgesetzt, gar nicht vor.
  3. Vor diesem Hintergrund muss die Frage der Reinigungsmöglichkeiten anders überdacht werden, als dies der Gutachter macht: die Vorteile des Wegfalls der gefährlichen Erkrankung "Periimplantitis" müssen abgewogen werden gegen die erschwerte Reinigungsmöglichkeit.
  4. Dem Gutachter hätte auffallen müssen, dass die  Patientin keinerlei Entzündungszeichen aufwies, als er sie untersuchte. Dies hätte ihm zu denken geben müssen, denn wenn völlig gesunde und entzündungsfreie Verhältnisse vorliegen, dann kann es ja mit der Entzündungneigung der Konstruktion nicht so weit her sein.
  5. Die Patientin schreibt am 16.4.2008 hierzu das Folgende: " Ich habe keine Probleme die Implantate und die Brücken darauf zu reinigen. Der Reinigungsaufwand ist zwar etwas grösser als bei den eigenen Zähnen, aber deutlich geringer als in den Zeiten der prothetischen Versorgung". Dies ist deutlich und eindeutig und widerspricht der Aussage des Gutachters, dass angeblich keine "günstige klinische Situation" vorliegt.

Der Gutachter  hat im vorliegenden Fall also Probleme frei erfunden, die wissenschaftlich-objektiv gar nicht vorkommen und die auch im zu untersuchenden Einzelfall nicht vorgekommen sind. Auch die Ausführungen der "aesthetischen Defizite" bei den Implantaten sind unzutreffend: es ist ja gerade ein erheblicher Vorteil, dass die grazile gestallteten Schleimhautdurchtrittstellen vom Chirurgen so günstig im Kiefer angeordnet werden können, dass dem Zahntechniker alle Bewegungsfreiheiten und Handlungsmöglichkeiten bei der Herstellung eines wirklich schönen, biomimetischen Ergebnisses gegeben sind. Genau dies ist bei Implantaten mit grossem Schleimhautdurchtrittsbereich nicht möglich, weil die Zahntechniker bei diesen Implantaten oft wirklich gezwungen sind, ein "emerging Profile" gewaltsam herzustellen, ob gleich dies zu teilweise unerträglichen aesthetischen Ergebnissen führt.

Dem Gutachter fehlt es vorliegend ganz offenbar an einschlägigen Wissen und  persönlichen und langjährigen Erfahrungswerten mit dem zu beurteilenden Behandlungverfahren. Er hätte konsequenter Weise die Begutachtung ablehnen müssen.

Das Gutachten ist somit unrichtig und unbrauchbar.

Der Gutachter ist für private Krankenversicherungen als Privatgutachter tätig, was er im Termin selbst auf Anfrage verschwieg, wohl um nicht deswegen als Gutachter entbunden zu werden.